Fallstricke der EU-Strommarktreform
30.10.2024, 10:09

Ein Kommentar von Markus W. Voigt, CEO der aream Group

 

Die EU-Strommarktreform zielt auf eine stabilere und erschwinglichere Stromversorgung ab, könnte jedoch besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu neuen Herausforderungen führen. Die Reform schafft neue Marktdynamiken, die den freien Markt zugunsten regulierter Kapazitätszahlungen einschränken und PPAs (Power Purchase Agreements) zunehmend unattraktiv machen könnten. Insbesondere KMU, die langfristige PPAs als Absicherung gegen Preisschwankungen nutzen, könnten in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt werden. Die aktuellen Maßnahmen schaffen Unsicherheiten für KMU, die auf stabile und planbare Energiekosten angewiesen sind.

 

Als im Jahr 2022 im Gefolge des Ukrainekrieges die Strompreise durch die Decke gingen, brachte die EU eine Reform des Strommarktes auf den Weg. Sie soll den europäischen Strommarkt stabiler, erschwinglicher und nachhaltiger machen. Inzwischen ist die Reform beschlossen, die EU-Mitgliedsstaaten müssen sie umsetzen. Die Bundesregierung favorisiert dabei aktuell Kapazitätszahlungen kombiniert mit einem produktionsabhängigen Refinanzierungsbeitrag. Das soll zu Investitionen in diesem Bereich anregen. Ein Rückzahlungsmechanismus („Claw-Back“) sorgt gleichzeitig dafür, dass übermäßige Gewinne bei hohen Marktpreisen abgeschöpft werden. Was „übermäßig“ genau bedeutet, ist allerdings noch nicht klar.

 

Das ist einerseits sinnvoll, denn Kapazitätszahlungen tragen zur Sicherstellung der Stromversorgung bei. Andererseits aber drohen Ineffizienz und eine Verteuerung des Systems. So könnten Betreiber zu weniger effizienter Arbeit animiert werden, da künftig stärker die Verfügbarkeit belohnt wird und nicht die Optimierung. Kapazitätszahlungen könnten die Systemkosten steigern und die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Auch die Planung wird komplexer, da Betreiber Marktpreise und Rückzahlungsmechanismen berücksichtigen müssen. Zentral wird zudem sein, wie die Banken das Umfeld wirtschaftlich bewerten werden.

 

Zugleich erhöht die Reform den Druck auf Power Purchase Agreements (PPAs), langfristige Stromlieferverträge zwischen Abnehmern und Produzenten. Denn im Mittelpunkt stehen Contracts for Difference (CfD), langfristige Verträge zwischen Regierungen und Stromerzeugern. Sie garantieren Stromerzeugern, die Investitionen tätigen, festgelegte Preise im Rahmen eines Korridors plus eine produktionsunabhängige Zahlung. Dies könnte den Anreiz senken, langfristige PPAs abzuschließen. Denn CfD garantieren durch Mindestpreis und Kapazitätszahlung eine Mindest-Einkommensquelle und dies ist aus Sicht der Banken ausreichend. PPAs oberhalb des CfD-Korridors würden abgeschöpft. Durch den damit verminderten Anreiz auf Betreiberseite würde die Möglichkeit insbesondere für den Mittelstand, sich langfristig Strompreise zu sichern, deutlich erschwert. Die Bundesregierung plant daher zusätzlich, PPAs zwischen Industrie und Erzeugern mit Garantien zu versorgen.

 

Wichtig ist daher ein Sicherungsnetz für Industriekunden-PPAs. Um die Bankability zu gewährleisten, sollten PPAs durch staatliche Garantien im Rahmen des CfD-Korridors abgesichert und das finanzielle Risiko für Erzeuger und Industriekunden minimiert werden. So könnten beispielsweise PPAs im oberen Bereich des Korridors interessant bleiben. Es kommt dabei allerdings sehr darauf an, welchen Teil der Staat garantiert. Wäre dies nur der Mindestpreis, ist ein PPA für Betreiber nicht attraktiv. Damit besteht das Risiko, dass der PPA-Markt für kleine, mittlere aber auch für große Unternehmen unerreichbar bleibt oder wird.

 

Die zusätzlichen Kapazitätsvergütungsmechanismen bringen mehr Unsicherheit und Bürokratie in den Markt. Für mittelständische Unternehmen ist daher die Begleitung durch einen tief im Markt stehenden Berater unbedingt zu empfehlen. Letztlich kommt es bei der Reform auf Ausgestaltung und Details an. Die Bundesregierung täte gut daran, sich so nahe wie möglich am Markt zu orientieren.

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